Susanne Jensen


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Predigt zu Gal 4,4-7 am 1. Weihnachtsfeiertag 2001  
   
Liebe Gemeinde!
Hat mich Weihnachten satt gemacht oder vielmehr hungrig?

Diese Frage beschäftigt mich seit ich Weihnachten kenne -
von Kindesbeinen an.

Mit diesem Fest sind elementare Gefühle verbunden. 
Wie das Gefühl der Sättigung - der gestillte Hunger.

Ein Kleinkind, das hungrig ist, schreit -
drückt sein Körpergefühl unmittelbar aus.

Kann ich meine elementaren Gefühle zu Weihnachten ausdrücken?
Hat mich Weihnachten satt gemacht?
Oder muss ich schreien, weil ich noch hungrig bin?

Schon vor Totensonntag 
begegnen mir in den Regalen der Kaufhäuser
rot-goldene oder lila Schoko Weihnachtsmänner.
Stollen und Lebkuchen versperren den Weg.

Alles will und soll gegessen werden.
All die leckeren Sachen sehen so appetitlich aus,
so neu und unverbraucht.

Ach ist das schön!
Nach dem Sommer und Herbst den ersten Weihnachtmann köpfen.

Nicht nur der Magen bekommt das heranrückende Fest zu spüren,
zu schmecken,  nein!  auch die Augen erfahren reizende Sättigung.

Lichterketten werden um Nadelhölzer im Garten geschlungen,
das Fenster wird mit einem Lichterbogen geschmückt -
es leuchtet in den Straßen, in den Häusern.
Glanzvoll und erwärmend soll es sein.

Auch die Hände haben Freude am Basteln und
am Aufstellen von Weihnachtsfiguren:
Eine Kapelle aus Erzgebirgsengeln wird auf der Anrichte aufgebaut.
Mit und ohne Orgel erzeugen diese Engelchen in uns 
imaginäre Weihnachtsmusik ... O du fröhliche ... 
alt bekannte Klänge kommen ins Gedächtnis.

Die Krippenfiguren bilden das Zentrum.
Sie stehen für den Inhalt - die Bedeutung dieses großen Festes,
auf das wir uns so lange freuen, so dass wir sogar die Tage zählen.

Die Tage sind gezählt.
Die Figuren stehen nun vollständig -
das Kindlein liegt in seiner Krippe -
Die Christbaumkerzen sind angezündet. 

Ich steh an deiner Krippen hier, 
o Jesu du mein Leben;
ich komme, bring und schenke dir, 
was du mir hast gegeben.
Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn, 
Herz, Seel und Mut,
nimm alles hin und laß dir´s wohlgefallen.

Der Text dieses Weihnachtsliedes stammt von Paul Gerhardt.
Er hat es 1653 geschrieben als er Pfarrer und Propst in dem
Landstädtchen Mittenwalde südlich von Berlin wurde.
Ganze 138 Lieder sind von Paul Gerhardt bekannt, 
von denen 30 in unserem Gesangbuch zu finden sind.

Dieses wunderschöne barocke Gedicht: Ich steh an deiner Krippen hier ...
wurde von Johann Sebastian Bach im Weihnachtsoratorium vertont.

Allein die ersten Worte dieses Liedes sagen schon alles:
Ich steh an deiner Krippen hier, o Jesu du mein Leben.

Es bedeutet mir viel, 
es bedeutet uns viel,
an der Krippe unseres Herrn zu stehen.
Zu stehen und zu schweigen ... zu staunen - 
Ich steh an deiner Krippen hier, o Jesu du mein Leben.

Von den aufgestellten Figuren geht eine unsagbare Faszination aus.

Wer kann es begreifen?
Das Unsagbare - Unbegreifliche von Weihnachten.

Schöne Worte zu diesem strahlenden Fest:
Doch Weihnachten ist auch ein schwieriges Fest.
Viele Gefühle und Erwartungen sind gerichtet auf
diesen besonderen Geburtstag - an Heilig Abend.
Jetzt muss es aber friedlich und schön werden ! 
Erwartungshaltung ...
Hoffnungen ... Wünsche

Wurden die Wünsche befriedigt?
Haben wir gefunden, was unsere Herzen suchen?

Ruhe und Frieden in uns selbst.

Es ist nicht möglich
auf Biegen und Brechen 
die Weihnachts-Friedens-Stimmung zu erzeugen,
das Herz voll satt zu machen.

Ich hab es schon erlebt,
ich wollt es weihnachtlich,
ich wollt es unbedingt -
und es passierte nicht,
der Funke sprang nicht über,
die Bemühungen waren umsonst ...
und ich bin müde und ausgelaugt 
zusammen gesunken.

Danach war ich weder satt noch hungrig -
ich war nur müde. 

Das Unbegreifliche von Weihnachten 
ist nicht machbar, nicht käuflich - es wird geschenkt.

Der Funke geht geheimnisvoll über,
wie bei einer jungen Liebe.

Ich sehe dich mit Freuden an
und kann mich nicht satt sehen;
und weil ich nun nichts weiter kann,
bleib ich anbetend stehen.
O dass mein Sinn ein Abgrund wär
und meine Seel ein weites Meer,
dass ich dich möchte fassen.

Worte, die von einer großen Liebe zeugen.
Strophe 4 aus Paul Gerhardts Weihnachtslied.
Paul Gerhardt wurde die Liebe zu Weihnachten geschenkt -

Geheimnisvoll und unbegreiflich ... kann es geschehen,
springt der Funke über - und sucht sich Menschen.

Sucht Einsame, Traurige ...
Sucht Kinder ... 
Sucht Dich und Mich.

Auch an ganz unweihnachtlichen Orten,
im Krankenhaus, in der Pflegestation,
mitten in der Einsamkeit -
dort, wo geschwiegen wird.

Gott hat sich hineingelebt, geatmet,
ja, geschrieen in unser Menschsein.
Davon erzählt uns das Geburtsfest Jesu.
Hungrige und wartende Menschen
sind zu seinen Brüdern und Schwestern geworden.

Weil das so ist, macht mich das Fest so froh
mit all seinen Versprechungen -
denn ich will mich halten 
an Gottes Menschwerdung.

Nicht an die Verpackung des Festes 
will ich mich halten, sondern an den Inhalt -
und das gibt auch Kraft in der Traurigkeit.

Weihnachten ist und bleibt
ein schwieriges und zugleich schönes Fest,
es macht hungrig und zugleich satt -

AMEN