Susanne Jensen


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Predigt zum 2. Petrusbrief 1,16-19 am letzten Sonntag nach Epiphanias 2002  
   
Liebe Gemeinde!
Der Predigttext des heutigen Sonntages
steht im 2. Petrusbrief, 1. Kapitel, die Verse 16-21:

Denn wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, 
als wir euch kundgetan haben die Kraft 
und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; 
sondern wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen.
17 Denn er empfing von Gott, dem Vater, 
Ehre und Preis durch eine Stimme, 
die zu ihm kam von der großen Herrlichkeit: 
Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
18 Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen, 
als wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge.
19 Um so fester haben wir das prophetische Wort, 
und ihr tut gut daran, daß ihr darauf achtet als auf ein Licht, 
das da scheint an einem dunklen Ort, 
bis der Tag anbreche 
und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen.
	Und das sollt ihr vor allem wissen,
	dass keine Weissagung in der Schrift
	eine Sache eigener Auslegung ist.
	Denn es ist noch nie eine Weissagung 
	aus menschlichem Willen hervorgebracht worden,
	sondern getrieben von dem Heiligen Geist
	haben Menschen im Namen Gottes geredet.

Schnell rauschen die Worte vorbei.
Ein Text voller Bilder und Aussagen,
die eher verwirren als Klarheit schaffen.

Wer hat da gesprochen?
Ein Jünger Jesu? - Der Petrus?

Ja, der Text stammt aus dem 2. Petrusbrief,
doch nicht Petrus, sondern ein anderer spricht.

Ein anonymer Verfasser gibt den Simon Petrus als
Urheber an - seine Autorität nimmt er in Anspruch.
Denn, wenn Petrus „der Fels“ spricht,
hat das Gewicht.

„Simon Petrus, ein Knecht und Apostel Jesu Christi,
an alle, die mit uns denselben teuren
Glauben empfangen haben ...“
So fängt der Brief an.

Er kündigt nach einigen Mahnungen 
sein baldiges Ableben an:
„ ... denn ich weiß, 
dass ich meine Hütte bald verlassen muß,
wie es mir auch unser Herr Jesus Christus eröffnet hat.“

Die Gemeinde soll seine Worte
auch nach seinem Hinscheiden im Gedächtnis 
behalten - das wiegt schwer. - 
Gleichsam ein Testament - dieser 2. Petrusbrief.

Ganz stark geht es dem Autor um Autorität.

Denn wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, 
als wir euch kundgetan haben die Kraft 
und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; 

Sind wir denn Märchenerzähler?
Sind die Geschichten von Jesus reine Erfindung?
Ausgeklügelte Fabeln.

Der Autor beruft sich auch gleich auf eine Jesus-Überlieferung:
Die Verklärung Christi auf dem heilige Berge.
Wir haben diese Überlieferung 
in der Evangeliums-Lesung gehört.

Petrus, Jakobus und Johannes wurden Zeugen
einer unfassbaren und unheimlichen Begebenheit.
Als sie eine Stimme aus den Wolken hörten, 
fielen sie erschrocken nieder.

Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.

Zu wunderbar und geheimnisvoll war das Ereignis.
Himmel und Erde berührten sich auf diesem Berg -
in Jesus nahm die Herrlichkeit Gottes Wohnung -
das ist das Geheimnis der Menschwerdung Gottes.

Wer so eine unglaubliche Geschichte erzählt,
die man mit der Wirklichkeit kaum in Verbindung bringen kann,
muss damit rechnen, 
dass man ihn für einen geschickten Fabelerzähler hält.

Der Verfasser des 2. Petrusbriefes
schreibt in einer unruhigen Zeit,
in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts nach Christus.

Die urchristliche Gemeinde hatte sich durch
die Missionstätigkeit des Paulus zusammengefunden.
Die Briefe des Apostels Paulus und die Evangelien
kursierten als heilige Texte in den Gemeinden.

Diese verheißungsvollen Texte galt es zu bewahren
gegen Zweifel und Anfragen:

„Wo bleibt die Verheißung seines Kommens?
Denn nachdem die Väter entschlafen sind,
bleibt es alles, wie es vom Anfang der Schöpfung
gewesen ist.“ 

Alles bleibt beim Alten -
Jesus Christus lässt auf sich warten.
Es geschieht nichts neues Göttliches,
nur Warten ins Blaue hinein ...
So ist das Empfinden vieler Menschen.

„Wo bleibt die Verheißung seines Kommens?“

Bei den Wartenden macht sich Angst und Unsicherheit breit.
Vor allem bei dem Verfasser des 2. Petrusbriefes
ist die Angst ganz deutlich zu spüren.

Er ermahnt die Gemeinde
auf das prophetische Wort zu achten.

	Und das sollt ihr vor allem wissen,
	dass keine Weissagung in der Schrift
	eine Sache eigener Auslegung ist.
	Denn es ist noch nie eine Weissagung 
	aus menschlichem Willen hervorgebracht worden,
	sondern getrieben von dem Heiligen Geist
	haben Menschen im Namen Gottes geredet.

Aus der Urchristlichen Gemeinde 
wird langsam die heilige apostolische Kirche.
Strukturen und Hierarchien bilden sich aus.

Ja, da gibt es welche, die auslegen können und dürfen -
und das Auslegen geschieht unter Kontrolle,
damit nichts Falsches gelehrt wird.

Sind Bibeltexte nicht diskussionsfähig?
Kann man ihnen nicht die Zweifel der Zeit entgegenhalten?

Was hält die Bibel eigentlich aus?

Das prophetische Wort 
ist eine Lichtquelle, die leuchten kann.
Das Licht kann aufgehen,
wie der Morgenstern 
und kann unsere Herzen erleuchten.

Das prophetische Wort
wird getrieben vom Heiligen Geist.
Und der Heilige Geist weht wo er will -
ist lebendig, wie eine Flamme.

Das wüste Schimpfen auf die Feinde 
der Kirche und des Evangeliums, 
wie es der Autor des 2. Petrusbriefes ausgiebig tut, 
in seinen Worten gegen die Irrlehrer,
das bringt nicht viel.

Auch das Aufrichten einer starren Ordnungsstruktur,
die allein von Angst getrieben die Traditionen bewacht,
wird keinen dauerhaften Erfolg haben.

Das lehrt die Zeit

Und nun spreche ich von unserer Kirche -
Einer Kirche mit Zukunftsangst, Existenzangst?

Unsere Kirche wirkt manchmal weltfremd.
Die Liturgie, die Gebete, die Lieder ...
ja, das alles scheint altmodisch und verstaubt zu sein.
Auf alle Fälle erklärungsbedürftig.

Das ist verständlich:
Die Texte sind 2 bis 3 Tausend Jahre alt.
Auch die meisten Kirchenlieder
haben etliche Jahrzehnte/ Jahrhunderte
auf dem Buckel.

Das Lebensgefühl der Menschen heute
ist geprägt von einer Medienlandschaft,
von  Informationsflut - durchtechnisiert -
hochkompliziert und beängstigend.

Der Traditionsabbruch hat stattgefunden.
Da brauchen wir uns nichts vormachen.

Und dennoch halten wir aus,
kommen, singen, beten ... die alten Texte:
beten in Not den Hirtenpsalm,
sprechen am Grab das Vaterunser.

Wir lassen uns anrühren von Bibelworten,
von Worten, die manchmal vertraut,
manchmal fremd klingen -

Von Worten, die aus einer 
anderen Wirklichkeit zu uns hinüberrufen.

Die Bibel lebt 
Sie ist nicht nur bedrucktes Papier.

In ihr steckt eine Kraft,
die Zweifel und Anfragen aushält.

Sie ist geschrieben  um unsere Phantasie, 
unsere Träume zu wecken.

Unglaubliche Geschichten erzählt sie
vom Wunder der Schöpfung,
vom Wunder der Menschwerdung Gottes -
und leuchtet
und leuchtet

wie der Morgenstern.

AMEN