Susanne Jensen


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Predigt zu Jer 8,4-7am Volkstrauertag 2001  
   
Liebe Gemeinde!

Wie reagiert wohl ein Mensch,
der ständig Scheltworte hört -
Schimpfe ohne Ende
Pausendlos Gemecker

Mach das nicht so!
Tu das anders!
Nein - nicht so!
Du sollst das lassen.

Ich kann mich richtig
hineinsteigern in die Vorstellung:
Ein Mensch bekommt nix als 
Schelte zu hören.
Als ob nichts Positives an ihm zu finden wäre.

Was macht der Gescholtene?
Wird er immer kleiner und kleiner ...
bis von ihm gar nichts mehr zu sehen ist,
gleichsam zusammengefaltet?

Oder wird der Gescholtene 
seine Ohren auf Durchzug stellen?

Eben so 
als ob er nichts hört.
Als ob er alles an sich abgleiten lässt -
Die Scheltworte gehen an ihm vorbei,
ohne auf Gehör zu stoßen - ohne anzukommen,
ohne jedwede Resonanz.

Dauernd Scheltworte zu hören
macht taub - unempfindlich gegenüber den Worten.
Nichts kommt mehr an.
Der Redner kann reden was er will,
bis er Fransen am Mund hat.

Wenn etwas gesagt werden muss,
was gesagt werden muss - echt Wichtiges,
ja, wie soll man es denn sagen?

Soll man es schön verpacken?
Soll man die wichtige Botschaft hinten rum anbringen,
also nicht direkt reden - im schonungslosen Klartext?

Im Bereich Kommunikation
ist Psychologie alles - 
eine gute psychologische Strategie 
gehört zum erfolgreichen Redner.
Dann kommt die Botschaft an.

Die Hörer bewegen die Worte in ihrem Herzen
und sind froh, dass sie zugehört haben -
dass sie vielleicht sogar hören, 
was sie eh schon selbst dachten 
und was in ihren Ohren auch nicht fremd klingt.

Wie kann es anders sein!
Fremde, harte Worte will ich Ihnen
als Predigttext vorlesen.
Worte des Unheilspropheten Jeremia
an sein Volk aus dem 6. Jh. vor Christus:

Sprich zu ihnen Jeremia: 
So spricht der HERR: 
Wo ist jemand, wenn er fällt, 
der nicht gern wieder aufstünde? 
Wo ist jemand, wenn er irregeht, 
der nicht gern wieder zurechtkäme?

Warum will denn dies Volk zu Jerusalem 
irregehen für und für? 
Sie halten so fest am falschen Gottesdienst, 
dass sie nicht umkehren wollen.

Ich sehe und höre, 
dass sie nicht die Wahrheit reden. 

Es gibt niemand, 
dem seine Bosheit leid wäre und der spräche: 
Was hab ich doch getan! 

Sie laufen alle ihren Lauf wie ein Hengst, 
der in der Schlacht dahinstürmt.

Der Storch unter dem Himmel weiß seine Zeit, 
Turteltaube, Kranich und Schwalbe halten die Zeit ein, 
in der sie wiederkommen sollen; 
aber mein Volk will das Recht des HERRN nicht wissen.

Wie gesagt, das Buch Jeremia 
besteht aus 52 Kapiteln,
überwiegend Drohungen, 
Unheilsprophezeiungen ...
Scheltworte ohne Ende werden aneinander gereiht
mit Beschreibungen von der schlimmen
politischen und gesellschaftlichen Lage 
des Staates Juda.

Der Prophet hatte seinem Volk
echt Wichtiges zu sagen,
nämlich ein göttliche Botschaft zu übermitteln.
Die Worte sollten was bewirken -
sollten das Volk zur Umkehr bewegen -
zur Änderung ihres Lebens.

unbegreiflich ...
Sie begreifens´ einfach nicht.
Alles läuft den Bach runter.

Der Untergang des Südreiches rückt näher
und näher ... die Gebote des Herrn werden
unentwegt gebrochen ... gelten nichts mehr.
... mein Volk will das Recht des Herrn 
nicht wissen.

Das Volk beschreitet
seinen Weg ins Verderben.
Mit fliegenden Fahnen
ohne abzubremsen
rennen die Rösser -
sie laufen alle ihren Lauf wie ein Hengst,
der in der Schlacht dahinstürmt. ...
Welch ein Lauf ist das?

Die Rede des engagierten Propheten Jeremia,
dieses politischen Profis - Priestersohn aus Anatot,
geht an den Menschen seiner Zeit vorbei.
Die Worte gleiten an ihnen ab,
als ob sie unempfindlich geworden sind
gegenüber derartiger Drohpredigt 
mit dem Dampfhammer.

Es gibt niemand,
dem seine Bosheit leid wäre und der spräche:
was habe ich doch getan!

Die Situation ist klar:
Die Angesprochenen verlassen nicht
den eingeschlagenen Weg ins Unheil -
dieser Weg ist ein eingetretener Pfad.

Umkehren geht nicht,
da die Bewegung zum Unheil
eine unglaubliche Eigendynamik hat.

Dann kann ich den Text ja getrost beiseitelegen,
als ein Dokument erfolgloser Prophetenrede
eines unglücklichen und leidenden Diener Gottes.

Doch ein Wort aus dem Text
lässt mich nicht los.
Ein Wort hält mich -
Sorgt dafür, dass ich nicht weghöre:

Warum?
Warum will denn dies Volk zu Jerusalem
irregehen für und für?
Warum?

Der Prophet fragt stellvertretend Gottes Frage.

Gott hat immer nach seinen Menschen gefragt.
Er hat nie aufgehört zu fragen,
er hat sich nie abgewendet.

Der Prophet mag schier verzweifeln - klagen,
sich weinend und schreiend in die Ecke werfen.
Gott hält zu seinem Propheten,
Gott hält zu seiner Menschheit
Gott wendet sich nicht ab.

Denn Gott hat den längsten Atem der Welt.

Weil mir 
in dem einfachen Fragewort WARUM
Gottes Treue zu uns Menschen bewusst wird,
stelle ich mich der wichtigen Botschaft des Textes:

Dem Ruf zur Umkehr.

Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!
Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!
Diese Worte kommen mitten aus dem 
Herzen Gottes und wollen unsere Herzen treffen.

Der Ruf zur Umkehr
Für diesen Ruf gibt es keinen speziellen Ort,
keine bestimmte Zeit.
Der Ruf zur Umkehr erklingt an allen Ecken und 
Enden dieser Welt - im Leben und im Sterben, 
am Anfang und am Ende

Wo wir gehen und stehen ...
wo wir denken und reden ...
und handeln ... und versprechen ...

Dort trifft uns Gott mit seiner Frage.

Ich werde unruhig.
Ich habe in mir ein unruhiges Herz.
Ich kann nicht - 
ich kann nicht umkehren!
Was kann ich tun?

Gott, hilf mir umkehren.
Das Leben ist so kompliziert,
so viele Fragen habe ich,
so viel ist ungeklärt.

Ich habe keine schnellen Antworten,
was denn konkret Gottes Wille sei,
was er mir und dir sagen will.
Ich weiß nur,
dass Gott sich als Fragender
geheimnisvoll bedeckt hält 
und auf uns wartet.

Schnelle Antworten gibt es in seiner Schöpfung nicht.
Jede Schneeflocke, 
jeder Feuerfunke
jeder leichte Windhauch 
ist sein Geheimnis.

Und so ist es auch klar,
dass jeder einzelne Mensch so geheimnisvoll wichtig ist,
dass Gott nach ihm fragt.
Er vergisst keinen.
Er hält den Lebenden und den Toten seine Treue.

An diesem Wunder Mensch 
An diesem Wunder der Schöpfung
kann sich unser Handeln orientieren,
wie wir mit diesen Gotteswundern umgehen,
wie wir mir uns selbst umgehen:

vorsichtig und zärtlich.

AMEN